Foto: Sprengel Osnabrück

Beratung und Hilfe – Diakonisches Werk Bramsche hilft Schuldnern beim Schritt in ein neues Leben

„Wenn sie den Schritt gewagt haben, sich Hilfe zu holen, dann sind die Menschen sehr dankbar. Sie geben damit ja auch eine Last ab und können erst einmal durchatmen“

Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Scheidung – die Gründe, warum Menschen plötzlich nicht mehr genug Geld haben, um ihren Lebensstandard zu halten, sind vielfältig. Wem es dann nicht gelingt, seine Ausgaben zu reduzieren, der rutscht schnell in die Schuldenfalle. Auf der Suche nach einem Ausweg hilft dann die Schuldnerberatung des Diakonischen Werkes Bramsche. Mehr als 800 Menschen haben dort im vergangenen Jahr Rat gesucht – und gefunden. Landessuperintendentin Birgit Klostermeier hat die Bramscher Beratungsstelle besucht.

Hermann H., dessen Namen wir geändert haben, ist gelernter Dachdecker. Er kommt an diesem Vormittag direkt vom Arzt zu dem Termin mit Natalia Gerdes, der Leiterin des Diakonischen Werkes Bramsche. Der 61-Jährige hat nach fünf Bandscheibenvorfällen so starke Schmerzen, dass er nur mit Hilfe einer schmerzlindernden Spritze auf dem Stuhl sitzen kann. „Der Arzt sagt, `Sie können fünf Meter den Hof fegen, aber dann müssen Sie sich wieder hinsetzen!´“, berichtet Hermann H.. Man sieht ihm an, dass er viel lieber wieder arbeiten würde, als die Schmerzen zu ertragen. Der Dachdecker kam vor zehn Jahren das erste Mal in die Schuldnerberatung von Natalia Gerdes. Damals musste er wegen der Rückenprobleme das erste Mal seine Arbeit aufgeben. 2016 dann kam die zweite Reha-Maßnahme; wieder wurde H. ein Jahr lang krankgeschrieben. Die monatlichen Raten für das Haus waren aber weiterhin fällig. Das brachte die fünfköpfige Familie in Bedrängnis. An fünf Stellen gibt es derzeit Schulden, die nicht zurückgezahlt werden können. Das Haus aufzugeben, das kam für Hermann H. lange Zeit nicht in Frage. „Sie müssen das so sehen: Sie haben Ihren Kindern lange Zeit ermöglicht, in ihrem Elternhaus groß zu werden. Jetzt haben sich die Rahmenbedingungen geändert“, sagt Sozialpädagogin Natalia Gerdes im Beratungsgespräch mit dem 61-Jährigen. Sie rät ihm zur Privatinsolvenz: „Vielleicht sagt die Bank, Sie können in Ihrem Haus bleiben. Sonst brauchen Sie einen Plan B. Vielleicht finden Sie schon jetzt in Ihrer Umgebung eine Mietwohnung, die für Ihre Familie passend ist.“

Es hat lange gedauert, bis Hermann H. sich damit abfinden konnte, dass das Haus, in dem er selbst groß geworden ist und das er vor einigen Jahren kaufen konnte, nicht zu halten ist. Jetzt ist er an einen Punkt gekommen, an dem er sagt: „Es geht halt nicht anders.“

Natalia Gerdes und ihr Team unterstützen Frauen und Männer wie Hermann H. nicht nur durch die Schuldnerberatung, sie helfen auch bei dem Beantragen einer Reha-Maßnahme oder eines Schwerbehindertenausweises. Und damit geben sie den Betroffenen das Gefühl, nicht allein zu sein.  

Manchmal ist aber erst einmal unklar, woran es bei den Menschen hapert, die sich an die Sozial- und Schuldnerberatung gewandt haben. Und hier kommt Lore Metschies ins Spiel. Die pensionierte Sparkassenfachwirtin ist als „Soziale Lotsin“ im Einsatz. Dafür wurde sie von der Diakonie extra ausgebildet. Ganz praktisch sieht ihre Arbeit so aus: Sie hilft zum Beispiel einer Frau, die den Überblick über ihre Einnahmen und Ausgaben verloren und sich verschuldet hat. Als sie die Wohnung der Frau betritt, warten zwei Umzugskartons auf sie, die bis obenhin mit ungeöffneten Briefen gefüllt sind. Lore Metschies hilft mit professionellem Blick beim Sortieren der Unterlagen. „Wenn sie erst einmal den Schritt gewagt haben, sich Hilfe zu holen, dann sind die Menschen sehr dankbar. Sie geben damit ja auch eine Last ab und können erst einmal durchatmen“, berichtet die 71-Jährige im Gespräch mit Regionalbischöfin Birgit Klostermeier.

2009 bekam Lore Metschies das Angebot, sich zur „Sozialen Lotsin“ ausbilden zu lassen. Ende 2010 ging sie dann in Rente und bekam damit Zeit für das neue Ehrenamt. „Für mich war klar: ich möchte auch im Ruhestand noch was Anderes machen als mich nur um Haushalt und Garten zu kümmern. Ich wollte aber keine festen Zeiten, sondern ein Ehrenamt, bei dem ich mir die Termine selbst einteilen kann“, erzählt Metschies. Ihr beruflicher Hintergrund kam dabei wie gerufen: „Für die Schuldner ist die Chance, bei der Bank ein neues Konto zu bekommen, oft viel größer, wenn noch ein anderes Gesicht dabei ist“, sagt die Sparkassenfachwirtin aus Fürstenau.

28 Soziale Lotsen gibt es derzeit im Kirchenkreis Bramsche. „Wir können dank ihnen viel intensiver helfen. Sonst hätten wir gar nicht die Kapazitäten, um zu den Ratsuchenden ins Haus zu kommen und vor Ort zu gucken, was sie am dringendsten brauchen“, sagt Sozialpädagogin Julia Broxtermann, die genau wie Nora Ranft zum insgesamt zwölfköpfigen Team der Beratungsstelle gehört.

Fast 2.200 Beratungsgespräche haben die Schuldnerberater im Diakonischen Werk Bramsche, zu dem auch die Geschäftsstellen in Quakenbrück, Bohmte, Bad Essen und Fürstenau zählen, im vergangenen Jahr geführt. Die meisten Menschen, die sich verschuldet haben, gehörten zur mittleren Altersgruppe. Meist waren sie auch berufstätig. „Statussymbole werden immer wichtiger“, glaubt Lore Metschies, „`mein Nachbar kann sich etwas leisten, dann möchte ich das auch´, heißt es oft.“

Das Diakonische Werk verzeichnet als größte Risiken für eine Verschuldung neben der Trennung eines Paares eine gescheiterte Selbständigkeit und vor allem fehlende wirtschaftliche Kenntnisse. „Viele Menschen haben so ein Urvertrauen gegenüber denjenigen, mit denen sie Geschäfte machen - `das sind die Klugen, die werden es schon wissen´ denken viele, und nehmen dann ein Angebot an, das zu ihrem eigenen Nachteil ist“, erklärt Natalia Gerdes, die Leiterin des Diakonischen Werkes Bramsche, und erinnert an einen 19-jährigen Studenten, der sich mit drei Dauerverträgen für Smartphone und Co. übernommen hatte.

Deshalb ist Prävention ein wichtiges Thema bei der Diakonie: Sozialpädagogin Sonja Kohmöller ist regelmäßig in Schulen unterwegs, um schon mit Kindern über den richtigen Umgang mit Geld zu sprechen. „Die Menschen brauchen oft einfach andere Vorbilder, und die Erkenntnis: es läuft etwas schlecht, also muss ich etwas ändern! Egal, wer Schuld hat. Denn Schuld hemmt nur“, sagt Gerdes.

„Schulden gehen an die Existenz von Menschen und sind deshalb ein ernstes Thema. `Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.´ Die Jahreslosung erinnert daran, dass es vieles im Leben – vielleicht auch das Wichtigste – umsonst gibt, und dass manche Dinge auch mit noch so viel Geld nicht erkauft werden können. Deshalb bin ich sehr froh und stolz, dass es diese kostenfreie Beratung hier bei Ihnen in Bramsche und anderswo gibt, die Menschen hilft, wieder auf eigenen Beinen zu stehen“, sagt Landessuperintendentin Birgit Klostermeier am Ende ihres Besuches in dem Roten Backsteingebäude in der Bramscher Innenstadt.

Für die Ehrenamtliche Lore Metschies ist ihr Einsatz trotzdem nicht umsonst: mit einer Familie, die sie als Soziale Lotsin betreut hat, hat sich ein freundschaftlicher Kontakt ergeben. „Das Amt hat also auch sehr schöne Seiten“, sagt die Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt und lächelt.