Foto: Sprengel Osnabrück

Teil 1: Workshop zum Thema „Solidarische Ökonomie“

Nachricht Osnabrück, 09. Mai 2016

„Ich habe manchmal Angst, wie das alles weitergehen soll.“

Workshop-Teilnehmer berichten Landessuperintendentin Klostermeier von ihren Ideen einer „Solidarischen Ökonomie“

Nur mal angenommen, ein Außerirdischer würde auf unserer Erde landen – würde er unser Wirtschaftssystem auf Anhieb verstehen? Könnte er verstehen, dass es für ihn kein Wasser gäbe, wenn er nicht dafür zahlen könnte – obwohl es reichlich davon gibt?

Mit diesem Bild eröffnet die Wirtschafts- und Politikwissenschaftlerin Friederike Habermann in der Evangelischen Familienbildungsstätte in Osnabrück den Workshop zum Thema „UmCare zum Leben – Die Wiederentdeckung des Selbstverständlichen in der Solidarischen Ökonomie.“

Die Teilnehmer kommen aus unterschiedlichen Bereichen der  Pädagogik: ein angehender Lehrer ist genauso dabei wie private Coaches, ein Zirkuspädagoge und Mitarbeiter aus der Erwachsenenbildung. Viele von ihnen beschäftigen sich schon seit Jahrzehnten mit neuen Formen des Zusammenlebens und einer gerechteren Ökonomie.

Habermann erklärt anhand der Geschichte, wie Eigentum, Arbeit und Geld in unsere Welt gelangt sind. Auch der Trost, den wir in der aktuellen Jahreslosung „Gott spricht: Ich will euch trösten wie einen eine Mutter tröstet“ finden, taucht auf: Schließlich sei Trost ja auch eine Care-Tätigkeit, sagt Habermann. Dabei bezeichnet der englische Begriff „Care“ zum einen bestimmte Tätigkeiten und Arbeitsbereiche, die eng an Pflege und Versorgung gekoppelt sind. Zum anderen beschäftigen sich auch die Wirtschaftswissenschaften seit einigen Jahren mit der Frage nach dem Wert der reproduktiven „Care“-Tätigkeiten.

Was stört mich? Was fehlt mir? Wovor habe ich Angst? – In Zweiergruppen sprechen die Teilnehmer über ihre Eindrücke und Gefühle im Hier und Jetzt. Landessuperintendentin Birgit Klostermeier tauscht sich mit Rosalind Honig aus, der Mitbegründerin der „Offenen Mentor/innen-Akademie der Neuen Arbeit.“

Eine Teilnehmerin berichtet von ihren Sorgen bezüglich der Zukunft -  vor allem bezogen auf die gesellschaftliche Perspektive. „Bei all den weltweiten Entwicklungen und ökonomischen Strömungen denke ich manchmal: Kriegen wir das alles hin?“

Eine andere Teilnehmerin berichtet davon, wie schwierig es ist, ihr bereits bestehendes Kollektiv zusammen zu halten und davon zu überzeugen, dass es möglich sei, eine andere Wirtschaftsform zu leben.

Matthias Jung hat Friederike Habermann für den Workshop „Solidarische Ökonomie“ gewinnen können; er hat ihn organisiert. Als Referent im Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt berichtet er von den Einblicken, die er durch seine Arbeit in verschiedene Arbeitsbereiche und Betriebe bekommt. Er beschreibt zum Beispiel, wie viele Lebensmittel in einem Recyclingunternehmen im Bereich des Sprengels Osnabrück wegen eines Fehlers an der Verpackung vernichtet werden müssen – weil das günstiger ist, als sie weiter zu verwenden. 

Dabei gibt es Alternativen, sagt Friederike Habermann: Umsonst-Läden, die im Gegensatz zu Tausch-Ringen nach keiner Gegenleistung fragen. Oder Angebote von Menschen, die ihr Wissen und ihre Fähigkeiten gerne mit anderen teilen, weil sie sich damit selbst verwirklichen können – auch hier soll eine Gegenleistung keine Rolle spielen, schwächt sie doch die „intrinsische“ Motivation, die Motivation aus sich selbst heraus, so Habermann.

„Trost ist ja auch eine Care-Tätigkeit“, hat Friederike Habermann zu Beginn des Workshops gesagt, und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer geben ihr Recht: Sie fühlt sich bestätigt, weiterzumachen, sagt Rosalind Honig von der Offenen Mentor/innen-Akademie. Gerade das Thema „Schenk-Ökonomie“ werde sie weiter beschäftigen, sagt eine andere Teilnehmerin.

Für die Landessuperintendentin ist klar: Der theoretische Überblick, die vielen Gespräche und der Austausch der Teilnehmer untereinander haben viele Punkte ins Bewusstsein gerückt. Nun gilt es zu überlegen, wo man vieles davon weitergeben und einbringen kann, so Klostermeier.