Foto: Sprengel Osnabrück

Teil 6: Ein Besuch im Flüchtlingscafé in Weyhe

Nachricht Weyhe, 20. Juni 2016

„Viele Menschen haben einfach den Wunsch, etwas weiter zu geben.“

Insgesamt rund 40 Ehrenamtliche organisieren in Weyhe einen wöchentlichen Kaffeenachmittag für Flüchtlinge. Als die Landessuperintendentin Birgit Klostermeier sie besucht, berichten sie, warum sie das tun, und was für sie „Trost“ bedeutet.

Im Vorraum des Flüchtlingscafés ist ein Kickertisch aufgebaut. Junge Männer stehen drum herum und spielen daran Fußball. Zwei kleine Kinder laufen zusammen bis zur Tür und zurück und strahlen dabei vor Freude. Ihre Mütter sitzen im Gemeinschaftsraum nebenan. Eine von ihnen ist Zina Bahgat. Die 20-jährige Kurdin ist vor vier Monaten aus Syrien nach Deutschland gekommen. Sie spricht noch kein Deutsch, aber das soll sich bald ändern. Schließlich will die junge Mutter die deutsche Kultur und die deutschen Menschen kennen lernen. Mit ihr am Tisch sitzen Volkhart Bröning und Ramadan Sadwan. Der 70-jährige Rentner und der 21-jährige Syrer blättern gemeinsam in einem Buch über die deutsche Sprache. Die beiden werden später gemeinsam in einen Atlas schauen; Ramadan Sadwan wird Volkhart Bröning auf der Karte zeigen, wo genau er herkommt.

„Die Menschen wissen ja gar nicht, ob sie hier bleiben dürfen“, sagt die 70-jährige Ehrenamtliche Hannelore Leifeld. „Da können wir ja nichts machen“, sagt sie, „wir können nur trösten und sagen: `es wird schon.´“ Dabei ist das gar nicht immer so einfach. Manchmal stoßen auch die Ehrenamtlichen an ihre Grenzen. Leifeld berichtet von einem Fall, in dem eine junge Mutter, kurz nachdem sie mit ihren beiden Kindern in Deutschland angekommen ist, eine schwere Krebs-Diagnose bekommt. „Solche Schicksale muss man auch aushalten können. Wer das nicht kann, der hilft, in dem er bei uns Kaffee kocht,“ sagt Hannelore Leifeld im Gespräch mit Landessuperintendentin Birgit Klostermeier. Es sei schließlich das „Wir“, das zählt. Zunächst einmal den Kindern konnte in diesem Fall geholfen werden; sie konnten während der Behandlung ihrer Mutter bei einer Arztfamilie unterkommen.      

„Where is Dieter?“ Ein junger Mann aus dem Iran kommt auf Hannelore Leifeld zu und fragt nach ihrem Mann. „Dieter works in the garden,“ antwortet die 70-Jährige mit dem blonden Pagenkopf. Kein Wunder, dass die Abwesenheit von Leifelds Ehemann gleich auffällt – die Helfer des Flüchtlingscafés sind für die Menschen aus Syrien, dem Iran, Afghanistan, Nepal und Teilen Afrikas zur Ersatzfamilie geworden.

„Viele von uns haben einfach den Wunsch, etwas von unserem Wohlstand und von unserer Zeit abzugeben,“ erklärt die ehrenamtliche Helferin Antje Balters. Die 65-jährige Irene Maertins ergänzt, dass gerade Menschen, die oder deren Eltern selbst als Flüchtlinge aus dem ehemaligen Osten Deutschlands in die Region gekommen seien, den Wunsch hätten, die Hilfe von damals weiter zu geben. Nur die, die es damals schlecht gehabt hätten, sagten Sätze wie „Uns hat damals auch niemand geholfen.“ Sie seien verbittert. Und da sei es doch besser, sich für die Hilfe zu entscheiden, ist Maertins überzeugt.

Das Flüchtlingscafé in Weyhe gibt es seit Ende Februar. Die Helfer waren schnell gefunden und sind seitdem mit Herzblut dabei, sagt Pastor Albert Gerling-Jacobi, der das Café mit ins Leben gerufen hat. Von Anfang an wird es gut angenommen. Jeden Mittwoch kommen dreißig bis vierzig Flüchtlinge. Sie tauschen sich untereinander aus, sie lernen mit ihren Paten die deutsche Sprache oder verabreden sich zu Behördengängen. „Sie kommen hierher, weil sie hier nichts müssen. Wir haben kein Programm. Es ist einfach ein Treffpunkt. Und da die Flüchtlinge in der Gemeinde dezentral untergebracht sind, freuen sie sich, mal vor die Tür zu kommen,“ berichtet Antje Balters.

„Gott spricht: Ich will euch trösten wie einen eine Mutter tröstet.“ – das ist die aktuelle Jahreslosung. Hannelore Leifeld betont mit einem Zwinkern, auch eine Großmutter könne trösten, sehr gut sogar. Der christliche Glaube ist für einige Helfer Grund für ihr Engagement, er steht bei dem Flüchtlingscafé aber nicht im Vordergrund – kommen doch viele der Hilfesuchenden aus muslimischen Ländern. Eine Handvoll von ihnen unter anderem aus dem Iran haben sich allerdings schon für eine Taufe interessiert, berichtet Pastor Albert Gerling-Jacobi. Für sie gibt es nun erst einmal Taufunterricht, bevor sie sich vielleicht tatsächlich für den christlichen Glauben entscheiden.