Foto: Sprengel Osnabrück

Teil 9: Ein Meditationsnachmittag in der Osnabrücker Bonnusgemeinde

Nachricht Osnabrück, 04. Oktober 2016

„Den Alltag vergessen, dass kann ja jeder auch für sich tun. Aber gemeinsam gibt es eine ganz besondere Energie.“

Jeden Mittwochnachmittag treffen sich rund ein Dutzend vor allem ältere Menschen in der Taufkapelle der Osnabrücker Bonnuskirche, um gemeinsam mit Pastorin Doris Jäger zu meditieren. Bei einem Besuch von Landessuperintendentin Birgit Klostermeier berichten sie in der Reihe „Sprengelfrüchte“ davon, was diese eine Stunde pro Woche für sie bedeutet.

Durch das Oberlicht fällt helles Tageslicht in die Mitte der kleinen Taufkapelle an der Bonnuskirche. Durch das runde Dachfenster schweift der Blick auf noch grünes Laub. Das Innere der kreisrunden Kapelle ist weiß gestrichen. Ringsherum sind Holzbänke mit blauen Sitzkissen darauf ebenfalls im Kreis angeordnet. Es ist ein warmer Herbsttag und der Raum ist angenehm kühl. Eine Kerze auf dem Taufstein in der Mitte verströmt ihren Geruch. Um eine kleine Vase herum liegen bunte Blütenblätter.

         Pastorin Doris Jäger begrüßt die Teilnehmer und eröffnet die Meditationsstunde mit einer Mitteilungsrunde. Die Frauen und ein Mann berichten, was sie seit dem vergangenen Mittwoch erlebt haben: Eine Frau schwärmt von einem Gospelkonzert; eine andere berichtet von einem Vogelhäuschen, dessen Dach sie in den vergangenen Tagen rot gestrichen hat, damit die Vögel es im Winter besser finden. Eine dritte Frau teilt den anderen mit, dass sie am Tag zuvor ihre Katze beerdigen musste. 

„Obwohl man sich im Grunde genommen ja gar nicht kennt und sich nur einmal die Woche sieht - durch diese kleinen Sätze, die wir am Anfang sagen, dadurch kommt man sich ganz schnell näher“, wird die 81-jährige Liesel Jäger, die schon seit dreißig Jahren regelmäßig meditiert, später im Gespräch mit Landessuperintendentin Birgit Klostermeier sagen.

Nach der Mitteilungsrunde beginnt Pastorin Doris Jäger mit einfachen Körperübungen und der Anleitung zum bewussten Atmen. „Die Füße in den Boden drücken… Dann einmal in den Schuhen bewegen. Die Hände liegen auf den Oberschenkeln.“ Anschließend reiben die Teilnehmer ihre Hände aneinander und legen sie warm auf das Gesicht. Nun folgt eine Phase der Stille. Knapp eine Viertelstunde lang sitzen die Meditierenden aufrecht und mit geschlossenen Augen auf ihren Plätzen.

Dann spricht Doris Jäger ein Wort von Augustinus: „Du, Gott, hast uns zu dir erschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.“ 

Für die 81-jährige Ingrid Aretz steht dieser Moment im Mittelpunkt der wöchentlichen Meditation: „Was man an Sorgen hat, das kann man hier abgeben. Man konzentriert sich nur auf das Wort; die Gedanken kreisen darum. Den Alltag kann man so für eine Weile loslassen.“ „Das kann ja jeder auch für sich tun, aber gemeinsam gibt es eine ganz besondere Energie“, pflichtet die 62-jährige Sabine Grandke ihr bei.

Anschließend schweigt die Gruppe, für weitere zwölf Minuten. Und tatsächlich: einige Teilnehmer lächeln daraufhin, einige sind tief in Gedanken versunken. Spätestens als alle zum Ende der Stunde zwei Runden im Kreis gehen, wird dem Betrachter die besondere Architektur des Raumes bewusst. Durch die Rundung lenkt beim Gehen nichts von der Konzentration auf den Gang ab, keine Wand, keine Abbiegung, nichts.

Seit gut zweieinhalb Jahren leitet Pastorin Doris Jäger den Meditationsnachmittag. Sie hat ihn damals von dem emeritierten Osnabrücker Theologieprofessor Klaus Künkel übernommen, der inzwischen verstorben ist. Die Gemeinde und der Kirchenkreis hoffen, dass die Taufkapelle in Zukunft zu einer „Kapelle der Stille“ ausgebaut werden kann und die Bonnusgemeinde so einen neuen Schwerpunkt bekommt.  

Die Teilnehmer würden diesen Wunsch wohl sofort unterschreiben. Die jüngste aus der Gruppe ist 49 Jahre alt; der älteste Teilnehmer ist fast 90. Es sei der letzte Weg, den er gehe, sagt Günter Wiewinner. „Es tut mir gut, auf den Weg zu blicken, den ich hinter mir habe. Und ich gucke auch, was in Zukunft kommen könnte.“ Wie manch anderer der Teilnehmer hat er Erfahrung mit der Meditation. Trotzdem habe er sich anfangs gefragt, was denn dieses Gehen eigentlich soll, erzählt er später im Gespräch mit Birgit Klostermeier. „Dann habe ich erfahren, wie wichtig das ist, in der Achtsamkeitsmeditation. Und das gilt ja letztendlich für viele Bereiche des Lebens, dass wir achtsamer sein könnten, auch gegenüber den Mitmenschen. Wir leben ja oft nur nach außen hin, nicht zum Inneren“, sagt der gebürtige Osnabrücker, der nach mehreren Jahrzehnten wieder in seine Heimatstadt zurückgekehrt ist. Hier, auch an diesem Nachmittag, sind ihm die Gemeinschaft und die Kontakte wichtig.

Eine eher still wirkende Frau erzählt Birgit Klostermeier davon, wie viel Kraft ihr die Meditation gibt. Die 70-Jährige leidet häufig unter Schmerzen. Jede Ablenkung, jedes Zusammensein mit anderen helfe ihr, sagt sie.

„Die Energie wird deutlich im still werden“, sagt Ingrid Aretz, die Frau, die das Vogelhäuschen frisch gestrichen hat. Eigentlich falle es ihr schwer, über Persönliches zu sprechen, doch nicht nur sie wirkt am Ende dieses Meditationsnachmittages wie gelöst. „Manchmal gehe ich nach Hause und denke: ich bin getröstet“, sagt die 81-Jährige, bevor sie nach draußen geht, an diesem lauen Herbstabend.