Foto: Sprengel Osnabrück

Alle zusammen – Gemeinsame Pläne für Kirchliches Laboratorium Friedensstadt Osnabrück nehmen Gestalt an

„Eine Kirche auf dem Weg des Friedens ist eine `Kirche mit Anderen´“

„Auf einer Zeitlinie von 1980 bis 2019 – wo würden Sie sich einordnen, wann hat Ihr Einsatz für den Frieden begonnen?“ Es ist ein ganz schönes Gewusel im Konferenzraum der Deutschen Stiftung Friedensforschung im Osnabrücker Ledenhof. Fast fünfzig Teil-nehmerinnen und Teilnehmer sind gekommen, um ihre Ideen und Initiativen zur Auftaktveranstaltung des zukünftigen Osnabrücker „Friedensortes“ mit- und einzubringen. Zum ersten „Kirchlichen Laboratorium Friedensstadt Osnabrück“ – kurz „Lab“ – hatte der Kir-chenkreis Osnabrück eingeladen. Landessuperintendentin Birgit Klostermeier war dabei.

Heike Becker stellt sich weit vor der imaginären Zeitlinie in dem mittelalterlichen Konferenzraum mit den kunstvoll bemalten Balken auf. „Ich habe Ende der Sechziger Jahre in Hamburg gelebt. Damals, zu Zeiten des Vietnamkriegs und der Studentenproteste, sind wir regelmäßig für den Frieden auf die Straße gegangen“, berichtet die ehemalige Leiterin der Osnabrücker Bahnhofsmission. Die beiden Moderatoren der Vorstellungs-runde am Abend der Auftaktveranstaltung, Michael Herzer aus Freistatt bei Diepholz und Hans Hartmann aus Osnabrück, haben einige Fragen mit-gebracht, die sie der Gruppe stellen und die dazu beitragen, dass die Beteiligten erst einmal ein Gefühl dafür bekommen, wieviel Potential in dem Raum schon versammelt ist. Friedemann Pannen, Geschäftsführer der Diakonie Osnabrück Stadt und Land, berichtet von seinen Erfahrungen als Gemeindepastor im Wendland Anfang der Neunziger Jahre. Kirchenvorsteher Siegfried Wenning aus Vehrte erinnert sich an seine Jugend in der Nähe des Luft- und Bodenschießplatzes Nordhorn Range.

Begonnen hatte die zweitägige Auftaktveranstaltung mit zwei Vorträgen. Dr. Ulrike Link-Wieczorek, Professorin an der Uni Oldenburg, sprach über die Theologie der Versöhnung und deren geistliche Perspektive. Landessuperintendentin Birgit Klostermeier, die die Bewerbung des Kirchlichen Laboratoriums Friedensstadt Osnabrück als siebten sogenannten „Friedensort“ der Landeskirche unterstützt hatte, sprach über das warum und wozu. „Frieden ist kompliziert, weil es darum geht, Machtstrukturen zu verändern“, sagte die Osnabrücker Regionalbischöfin. Kirche aus dem Geist des gerechten Friedens beginne mit der Wahrnehmung und Bereitschaft, sich zu verändern. „Eine Kirche auf dem Weg des Friedens ist eine `Kirche mit Anderen´, und das heißt nicht nur ökumenisch, sondern auch im engen Gespräch und in einer lebendigen Auseinandersetzung mit dem säkularen Umfeld“, so Klostermeier. Deshalb könne der kommunikative Raum dieses kirchlichen Friedensortes nur die Stadt als ganze sein.

Und das unterscheidet das Kirchliche Laboratorium von den anderen sechs, bereits bestehenden Friedensorten in der Landeskirche Hannovers: hier handelt es sich um einen ideellen Ort, kein reines Kommunikationszentrum oder anderweitig feststehendes Gebäude. Es ist eher ein Konzept: zu vernetzen, was da ist und so sichtbarer und profilierter  zu werden. Dafür stellt die Landeskirche dem Kirchenkreis Osnabrück zunächst für die kommenden drei Jahre eine feste Stelle zur Verfügung – für eine „Friedenspastorin“ oder einen „Friedenspastor“, und zwar bis zum Jahr 2023, dem 375-jährigen Jubiläum des Westfälischen Friedens. Eine weitere halbe Stelle finanziert der Kirchenkreis Osnabrück.

Osnabrück ist schon lange als Friedensstadt bekannt. Es gibt zahlreiche Initiativen, Arbeitsgemeinschaften und Projekte zum Thema Frieden; die Stadt hat ein eigenes städtisches Büro für Friedenskultur. Jeden Samstag um 11 Uhr 30 treffen sich Menschen in der zentralen Marienkirche zum Friedensgebet. Ein Kirchliches Laboratorium könnte sie alle zusammenführen – und konkrete Projekte umsetzen. Da sind sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesem Abend im Osnabrücker Ledenhof einig. Das Thema Wohnraum beispielsweise brennt vielen Osnabrückerinnen und Osnabrückern derzeit auf den Nägeln – es gibt einfach zu wenig davon, und teilweise ist er kaum noch erschwinglich. „Das ist ein Thema, bei dem wir uns deutlicher positionieren und sichtbarer werden könnten“, sagt Frank Waniek. Der 53-Jährige ist seit Beginn des Jahres im Kirchenkreisvorstand. „Es gibt schon tolle Projekte im Kirchenkreis Osnabrück, aber sie werden noch nicht als Einheit wahrgenommen. Das wäre etwas, was ich mir wünschen würde. Deshalb unterstütze ich die Gemeinden im Kirchenkreis bei ihrer Öffentlich-keitsarbeit, zum Beispiel bei der Gestaltung ihrer Internetseiten.“

Tabea Suckut ist extra aus Bremen zu der Auftaktveranstaltung angereist. Die 32-Jährige hat in Osnabrück Evangelische Theologie studiert und zum Thema Friedensethik geforscht. Thema ihrer Bachelorarbeit: „Die Konsum-gesellschaft als theologische Herausforderung“. Suckut wünscht sich von einem Kirchlichen Laboratorium mehr Konsumkritik: wo lohnt es sich auch in Osnabrück, Alternativen zu nutzen? Das ist ihr Verständnis von Frieden.

„Suche Frieden und jage ihm nach“ (Psalm 34,15) – das ist die Jahreslosung für das Jahr 2019 und auch das Thema der diesjährigen „Sprengelfrüchte“. Für Claudia Schlörb bedeutet Frieden zunächst einmal inneren Frieden. „Wer inneren Frieden hat, der strahlt das auch aus, und der reagiert auch in größeren Situationen friedvoller“, ist sich die 48-Jährige sicher. Sie selbst praktiziert seit zehn Jahren Yoga, Autogenes Training, Qigong und andere Meditationstechniken. Seit einigen Jahren arbeitet sie mit verschiedenen Gruppen von jung bis alt in der „Kapelle der Stille“ in der Osnabrücker Bonnus-Gemeinde. „Die Menschen wollen einen spirituellen Weg, sie brauchen das. Wie viele sagen zu uns: `Ich zehre die ganze Woche von der Kraft und Energie, die ich hier in der Kapelle der Stille eine Stunde lang tanken konnte´? Es wäre so toll, wenn die christlichen Kirchen auch mitten in der Stadt solche Angebote schaffen könnten – für Schulklassen, Senioren oder Berufstätige, für alle“, wünscht sich Claudia Schlörb. „Wenn wir das als Institution Kirche schaffen, dann kann Frieden entstehen – erst im Kleinen, dann in größeren Zusammenhängen“, so Schlörb.

Der oder die neue Friedenspastor/in wird die Arbeit im Januar aufnehmen. Dann wollen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Auftakt-veranstaltung erneut treffen und ihre Ideen zu Kirche und Theologie in der Friedensstadt weiterentwickeln.