Foto: Sprengel Osnabrück

Auf der Pirsch – Jäger aus Heiligenrode berichtet von Sinn und Zweck der Jagd

„Wenn ich auf Ansitz gehe und dem Wind lausche, da kann ich einfach richtig abschalten. Das sind für mich friedliche Momente“

„Suche den Frieden und jage ihm nach!“ – das ist die diesjährige Jahreslosung der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für das Bibellesen. Aber Frieden und Jagd – ist das nicht ein Widerspruch in sich? Landessuperintendentin Birgit Klostermeier hat mit dem Jäger Hayo Wilken aus Heiligenrode über Sinn und Zweck des Jagens gesprochen.

Hayo Wilken geht schon seit mehr als dreißig Jahren auf die Jagd. Er war 18 Jahre alt, als er den Jagdschein machte. Aus einer traditionellen Jägerfamilie kommt er nicht. „Mein Vater war als Selbständiger in der Baubranche aktiv. Vorbelastet war er selbst nicht, als er mit der Jagd begonnen hat. Er hat mehr einen Ausgleich gesucht, und durch Kundenkontakte ist er dann zur Jagd gekommen“, erzählt Wilken beim Spaziergang mit Landessuperintendentin Birgit Klostermeier und Hund Coco durch blühende Rapsfelder in Heiligenrode. Wie der Vater, so der Sohn. Auch Hayo Wilken hat drei Söhne. Er erzählt von den ersten Malen, die sie ihn zur Jagd begleitet haben. Einer von ihnen hat sich dabei schon als Dreijähriger – mit Schnuller im Mund – einen Blick auf die Beute verschafft, und sich ein Menü mit Rotkohl und Klößen ausgedacht, berichtet der 51-Jährige Hayo Wilken lachend.
Wilkens Frau Christiane unterstützt ihren Mann seit Jahren in den „jagdlichen Aufgaben“ – wie es in der Jägersprache heißt. Den Jagdschein hat sie selbst nicht gemacht. Sie brachte es einfach nicht übers Herz, den Abzug zu betätigen und auf ein Lebewesen zu schießen. Von der reinen Trophäenjagd halten beide nichts. „Das muss letztendlich jeder selber wissen, aber ich bin kein Freund davon, wenn Löwen mit Drogen vor die Flinte gezogen werden“, sagt Hayo Wilken. Im Grunde gehe es bei der Jagd auch nur zu einem Bruchteil um das Erlegen – neunzig Prozent bestünden aus dem Hegen, erklärt Christiane Wilken und nennt als Beispiel das Aufspüren von Rehen: „Die Bauern geben uns dazu etwa 48 Stunden vor Beginn der Heuernte Bescheid. Dann können wir mit unseren Hunden durch die Felder gehen, bevor die großen Erntemaschinen kommen und Rehe und ihre Kitze, die vielleicht im Feld leben, umzingeln, zu spät bemerken und dann tödlich verletzen. Die Hunde können die Kitze zwar nicht riechen, aber die Rehe riechen, dass Hunde da waren und bringen ihre Jungen dann in Sicherheit,“ berichtete die 51-Jährige im Gespräch mit ihrem Mann und Landessuperintendentin Birgit Klostermeier, das inzwischen an den großen Esstisch der Wilkens verlagert wurde

Hayo Wilken: Natürlich möchte ich Beute machen, wenn ich auf die Jagd gehe. Aber ob es dann klappt, ob es den Zufall gibt, dass mir wirklich etwas vor die Flinte kommt, darauf habe ich keinen Einfluss. Natürlich ist es einem dann bewusst: `Wenn ich jetzt abdrücke, nehme ich einem Tier das Leben. Einem gesunden Tier, das mitten im Leben steht´. Aber ich sehe zu, dass das Tier unmittelbar im Schuss liegt. Und das gelingt zumindest in 95 Prozent der Fälle. Das heißt: das Tier hatte bis zum Umfallen keinen Stress, kannte keinen quälenden Tiertransport, sondern lebte vorher an der frischen Luft, in der Natur – in trockenen Sommern genauso wie in kalten Wintern.
Birgit Klostermeier: Welchen Einfluss hat dabei unsere moderne Ernährungsweise auf die Jagd und die Jäger?
Hayo Wilken: Wild ist ein hohes Nahrungsmittel - dessen sind wir uns bewusst. Dabei haben sich die Aufgaben in der Moderne aber nur verlagert. Früher musste einer los, um Beute für die Sippe zu machen. Heute haben wir das alles ausgelagert; das Töten und Schlachten übernimmt jemand Anderes, damit der Otto-Normalverbraucher sich nicht mehr mit Hausschlachtungen beschäftigen muss. Auf seine Bratwurst will er aber trotzdem nicht verzichten. Dadurch, dass Hänschen Meier das Tier, was ich als Jäger erlege, am Vortag noch gesehen hat, werden wir als Jäger ja viel stärker von der Öffentlichkeit beäugt. Und das ist auch in Ordnung.
Birgit Klostermeier: Sie haben ein hohes Bewusstsein für das, was und wie gejagt werden soll. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Jäger teilweise heftig kritisiert werden?
Hayo Wilken: Das geschieht uns ja häufig, dass militante Tierschützer kommen und uns `Mörder´ nennen. Aber das stimmt ja so nicht. Und wenn die gleichen Tierschützer einen Hochsitz ansägen – und das kommt vor – dann riskieren sie damit, dass sich ein Mensch schwer verletzt und sogar vielleicht ums Leben kommt. Das finde ich nicht richtig.
Birgit Klostermeier: „Suche den Frieden und jage ihm nach!“ Ist das nicht ein Widerspruch - Frieden und die Jagd? Was verbinden Sie als Jäger mit der diesjährigen Jahreslosung?
Hayo Wilken: Ich engagiere mich in der Kirche, bin aber kein regelmäßiger
Kirchgänger. Für mich bringt das Jagen einfach viele friedliche Momente mit sich. Wenn ich auf die Pirsch gehe, auf dem Hochsitz sitze und in die Natur hineinhorche – da kann ich einfach sehr gut abschalten. Zur Jagd gehört eben nicht nur die Beute, sondern auch ganz viel Natur- und Umweltschutz.
Birgit Klostermeier: Sie beteiligen sich an der Hubertusmesse am
Volkstrauertag in Heiligenrode. In dem Gottesdienst geht es darum, die Schönheit der Schöpfung zu loben und Gott zu danken. Und, ja auch darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass zum Jagen vor allem Sorgfalt und Hege gehören und der Respekt vor der Schöpfung. Ich danke Ihnen für die Ihre Zeit und dass Sie uns ein wenig „Jägerlatein“ beigebracht haben. 

Die Verabschiedung fällt kurz aus. Hayo Wilken ist nicht nur Jäger und Familienvater. Der bei der Gemeinde Stuhr angestellte Hochbautechniker engagiert sich auch bei der Freiwilligen Feuerwehr. Und als sein Pieper Alarm schlägt, springt der 51-Jährige sofort auf, um die Nachricht abzuhören. Der nächste Einsatz ruft. Wilken eilt zum Auto. Hund Coco bleibt dieses Mal zu Hause. Zu den Feuerwehreinsätzen darf er  natürlich nicht mit. Aber die nächste Jagd kommt bestimmt.

Die Hubertusmesse mit Hayo Wilken, den Heiligenroder Jägern und dem  Jagdhorncorps Weyhe-Stuhr unter der Leitung von Pastorin Tabea Rösler wird am 17. November in der Klosterkirche Heiligenrode gefeiert. Der Gottesdienst beginnt um 18 Uhr.