Foto: Sprengel Osnabrück

Donnerstags in schwarz – Ehrenamtliche startet im Sprengel Osnabrück mit weltweiter Aktion gegen sexualisierte Gewalt

„Mir geht es um Respekt und um Achtung vor dem anderen Geschlecht“

Jede dritte Frau in Europa hat als Erwachsene körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren. Weltweit werden acht von zehn Mädchen bis zu ihrem 17. Lebensjahr auf der Straße belästigt. Und jedes vierte Kind unter fünf Jahren lebt in einem Haushalt, in dem es häuslicher Gewalt ausgesetzt ist. Das sind Fakten, die aus Studien der EU, von UN Women und UNICEF hervorgehen. Die weltweite Initiative „Donnerstags in schwarz“ („Thursdays in black“) möchte dem etwas entgegensetzen. Sie ruft Männer und Frauen dazu auf, sich jeden Donnerstag schwarz zu kleiden – um auf das Thema aufmerksam zu machen. Die ehrenamtlich tätige Ingrid Philipp aus Ostercappeln will die Aktion im kommenden Jahr auch in den Sprengel Osnabrück holen.  

„Mir geht es um Respekt, um Achtung vor dem anderen Geschlecht“, sagt Ingrid Philipp im Gespräch mit Landessuperintendentin Birgit Klostermeier: „Ich habe mich in meiner langjährigen Arbeit für den Weltgebetstag immer wieder mit dem Thema Gewalt gegen Frauen beschäftigt. Es ging dabei um unterschiedliche Länder und Kontinente. Ich unterstütze die Aktion `Donnerstags in schwarz´, weil es Gewalt gegen Frauen heute immer noch gibt – auch hier bei uns.“

In Osnabrück gibt es seit Jahren Aktionen zum internationalen Gedenktag „Nein zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ am 25. November. Auch einen zentralen ökumenischen Gottesdienst hat es zu diesem Anlass schon gegeben. Für Ingrid Philipp ist das aber zu wenig. Aktionen, die einmal im Jahr stattfinden, oft sehr aufwendig sind und hohe Kosten verursachen, die verpuffen einfach, sagt Philipp. „Es gibt so viele Jahrestage, so viele Events. Das reicht aber nicht. Wir müssen konstant an diesem Thema dranbleiben. Jeden Donnerstag. Und es ist so einfach, sich an der Aktion zu beteiligen“, sagt Philipp. Wohl jeder habe ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Hose im Schrank. Dazu gibt es für einen Euro einen eigenen Button für „Donnerstags in schwarz“ und ein T-Shirt mit dem entsprechenden Schriftzug, das gegen eine Spende bestellt werden kann. Dadurch verschaffen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem Thema Gewalt gegen Frauen zu mehr Aufmerksamkeit, und zwar langfristig. „Ich habe auch schon erlebt, dass ich wegen meiner schwarzen Kleidung am Donnerstag gefragt wurde: `Mensch, das tut mir ja leid. Wer ist denn diesmal bei Euch gestorben?´ Und dann konnte ich sagen, was der Grund für meine regelmäßige `Trauertracht´ ist“, berichtet Ingrid Philipp lächelnd. Steter Tropf höhlt schließlich den Stein. 

Die weltweite Aktion „Donnerstags in schwarz“ („Thursdays in black“) entstand bereits vor rund zwanzig Jahren. Sie ging aus der Dekade der Kirchen in Solidarität mit den Frauen hervor, die der Ökumenische Rat der Kirchen von 1988 bis 1998 ausgerufen hatte. Sie thematisierte den Einsatz von Vergewaltigungen als Kriegswaffe beispielsweise in Ruanda und Bosnien, geschlechtsbezogene Ungerechtigkeiten, Misshandlungen, Gewalt und die vielen Tragödien, die daraus hervorgehen. Inspiriert wurde die Kampagne von den Müttern, die während der Gewaltdiktatur in Argentinien gegen das Verschwinden ihrer Kinder demonstrierten; von den schwarz gekleideten Frauen, die bis heute in Israel und Palästina gegen Krieg und Gewalt protestieren; und von der Black Sash-Bewegung, mit denen Menschen in Südafrika gegen die Apartheid und gegen die Gewalt gegen Schwarze angingen.

Bei „Donnerstags in schwarz“ geht es also generell gegen Gewalt und um Respekt, Sicherheit und Gerechtigkeit für Frauen genauso wie für Männer, für Jungen wie für Mädchen, und für Menschen, die dem dritten Geschlecht angehören. Kirchen müssten ihren Anteil daran nehmen, dass die Rechte sexueller Minderheiten geschützt werden und dass „die Gewalt gegen diese Gemeinschaften und gegen die Menschen endet, die Gott nach seinem Bild und in seiner Liebe geschaffen hat“, heißt es in einer Erklärung des Rates für Weltmission (CWM) in Singapur, die dessen Vorstand zum Valentinstag dieses Jahres veröffentlicht hat.

Ingrid Philipp hofft, dass Frauen und Männer, wenn sie immer wieder durch den „schwarzen Donnerstag“ daran erinnert werden, innehalten und sich fragen: was ist überhaupt Gewalt, was ist sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt? Und: nehme ich sie erst wahr, wenn etwas passiert ist? Dabei fängt Gewalt für Ingrid Philipp schon bei den Jüngsten an, durch Mobbing in der Schule zum Beispiel.

Ingrid Philipp ist seit Jahrzehnten in der Kirche aktiv. Ihre Aufgaben als Sprengelbeauftragte und als Landesbeauftragte für die Arbeit mit Frauen in der Landeskirche Hannovers übernimmt sie ehrenamtlich. Angefangen hat ihr Engagement schon vor 35 Jahren. „Damals hatte mich unser Gemeindepastor in Ostercappeln angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, einen Kreis jüngerer Frauen ins Leben zu rufen“, erzählt Philipp. Wegen ihrer aktuellen Aufgaben ist sie viel unterwegs. Als Teil der Leitung des Landesfrauenwerkes kümmert sie sich mit um die aktuelle Weiterentwicklung und Zukunft des Bereiches „ Arbeit mit Frauen/ Frauenwerk“ und ist Ansprechpartnerin für die ehrenamtlich Beauftragten in den Sprengeln und Kirchenkreisen. „Mir macht es wirklich Freude, etwas in Gang zu setzen und zu bewegen“, sagt die Frau mit der Brille und den hellbraunen Locken im Gespräch mit der Osnabrücker Regionalbischöfin Birgit Klostermeier: „Die Kirche hat mir viel gegeben, auch an Kontakten und Fortbildungen zum Beispiel in den Bereichen Telefonseelsorge, geistlicher Begleitung und feministischer Theologie. Und durch meinen Einsatz kann ich davon etwas zurück- und weitergeben.“

„Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun…“ – dieses Lied aus dem Kindergottesdienst erinnert Ingrid Philipp daran, wie sehr man die Gesellschaft doch nachhaltig verändern kann, wenn man immer wieder, regelmäßig kleine Schritte tut – zum Beispiel durch das Tragen eines schwarzen T-Shirts mit Button einmal pro Woche.

Ingrid Philipp ist in ihrem Engagement bestärkt worden von Kolleginnen aus den Sprengeln Stade und Hildesheim/Göttingen, von denen sich eine bereits seit dem ersten Aufkommen von „Donnerstags in schwarz“ vor rund zwanzig Jahren durchgehend an der Aktion beteiligt.

Um „Donnerstags in schwarz“ auch im Sprengel Osnabrück bekannter zu machen, braucht es neben einem guten Netzwerk aus Frauen- und anderen Beratungsstellen natürlich auch Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Möglichkeiten zur Beteiligung gibt es auf jeden Fall viele. Schließlich wird es auch 2020 wieder den Gedenktag gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen geben. Vielleicht ließe sich auch der zentrale Ökumenische Gottesdienst zum Thema wieder beleben? Ingrid Philipp wird das Projekt auf jeden Fall im Januar bei den Weltgebetswerkstätten vorstellen und auch im Brief aus dem Frauenwerk Hannover zum Jahresende wird darauf hingewiesen. Der Landesfrauenrat feiert im kommenden Jahr sein Jubiläum – gemeinsam mit ihrer Kollegin aus Stade wird Philipp als Vertreterin des Landesfrauenwerkes mit dem Thema dabei sein. Eine weitere Idee: Zum Valentinstag könnte vor ausgewählten Blumengeschäften ein Flyer mit Kontakthinweisen hängen. Denn – so das Motto von „Donnerstags in schwarz“ – „Liebe heilt, und verletzt nicht...“

„Suche Frieden und jage ihm nach“ (Psalm 34,15) – die Initiative von Ingrid Philipp passt zur Jahreslosung 2020. „Dass aus der Kirche heraus ein solches Projekt entsteht und Früchte trägt, das verdankt sie Ehrenamtlichen wie Ingrid Philipp. Mit einfachen Mitteln, sich nämlich einmal in der Woche in Schwarz zu kleiden und einen Button zu tragen, damit wird Wirkung erzielt, aufgeklärt und informiert. Ich weiß aber auch, dass es jede Menge Mut und innere Bereitschaft kostet, sich mit dem Thema Gewalt immer wieder selbst auseinander zu setzen, sich ansprechen zu lassen und sichtbar für die von Gewalt betroffenen Kinder, Frauen und Männer einzustehen. Das ist ein großes Zeichen von friedlichem und zugleich kraftvollem Widerstand - und für mich ein Zeichen von Gottes Liebe in dieser Welt“, so Birgit Klostermeier, die Landessuperintendentin des Sprengels Osnabrück.