Foto: Sprengel Osnabrück

Mit viel Tamtam – Jungbläser lernen gemeinsam in Melle neue Instrumente

„Musikmachen in der Gruppe, das bedeutet für mich auch ein ganz großes Stück Heimat“

„Und jetzt noch einmal…“ Mit Schwung hebt und senkt Michiko Sugizaki ihre Arme. Dabei spreizt die Leiterin der Jungbläsergruppe mal den Mittelfinger ab, mal den Ringfinger. Acht Männer und Frauen – darunter auch ein junges Mädchen – versuchen, ihr zu folgen, ohne den Blick von den Noten zu lassen, die vor ihnen auf einem Notenständer stehen. Vieles klingt schon sehr gerade, manches noch ein bisschen schief, auf jeden Fall tönt es sehr kräftig, wenn alle Jungbläserinnen und Jungbläser gemeinsam spielen. „Suche den Frieden und jage ihm nach!“ (Psalm 34,15) – die aktuelle Jahreslosung findet sich auch in der Musik wieder. Da sind sich die Musikerinnen und Musiker beim Besuch von Landessuperintendentin Birgit Klostermeier in Melle-Buer sicher.

Die beiden jüngsten in der Gruppe sind die 14-jährige Tabea und die zehnjährige Fiona. Fiona ist mit der Posaune quasi groß geworden: schon ihre Mutter spielt das Blasinstrument, genauso wie ihr älterer Bruder. „Vorher habe ich schon Keyboard gespielt und im Chor gesungen. Dann bin ich in die Jungbläsergruppe gewechselt, weil ich immer schon Lust darauf hatte. Mir macht das viel Spaß hier“, sagt die 10-Jährige. Ganz anders ist die 35-jährige Melanie Bischoff an die Trompete gekommen. Sie lacht, als sie Landessuperintendentin Birgit Klostermeier davon berichtet: „Mein Mann hatte im Internet günstig eine Trompete gekauft. Und damit die auch gespielt wird, hat er mich heimlich hier angemeldet – als Ausgleich zum Alltag. Und es macht auch wirklich Spaß. Nur das Üben, das fällt mir zu Hause noch etwas schwer. Das will ich nicht mal den Tieren in unserem Schweinestall antun“, sagt die 35-Jährige lachend.

Der Name „Jungbläser“ bedeutet nicht, dass es sich in der Gruppe nur um Kinder und junge Leute handelt. Es sind auch erfahrene Musikerinnen und Musiker dabei, die ein neues Instrument lernen wollen – so wie Elke Wulfert, Sandra Senftleben und Gerhard Frenzel. Alle drei spielen schon seit Jahren im Posaunenchor. Nun lernen sie zusätzlich Waldhorn. So könne man schnell mal aushelfen, wenn im Posaunenchor eine Stimme fehle, sagt die 47-jährige Sandra Senftleben.

Die Posaunenchöre werden im Kirchenkreis Melle-Georgsmarienhütte besonders hoch gehalten. Rund siebzig Mitglieder hat allein der Posaunenchor Melle-Buer. Für Elke Wulfert hat das auch mit Tradition zu tun. Die 57-Jährige spielt schon jahrelang Tuba. Erst wollte sie - genau wie ihr Vater - ein Kuhlohorn spielen, aber dann, an einem Schnuppertag vor rund zehn Jahren, verliebte sie sich in Anton - wie sie ihre Tuba liebevoll nennt. „Bei uns früher zu Hause war immer klar: donnerstags ist mein Vater bei der Probe. Mehr als 70 Jahre lang war er insgesamt im Posaunenchor. Irgendwann habe ich gedacht: da muss ja irgendwas dran sein. Und es stimmt: Musikmachen in der Gruppe, das bedeutet für mich auch ein ganz großes Stück Heimat.“

Neben Beruf und Familie ist es für viele manchmal gar nicht so einfach, sich ihr Hobby zu bewahren. „Manchmal komme ich nach der Arbeit nach Hause und bin fertig fürs Sofa. Aber am Montag, nach der Probe, da fühle ich mich nach anderthalb Stunden so, als hätte ich mich zwei Tage lang ausgeruht – soviel Energie nehme ich dabei auf“, sagt Elke Wulfert.

Alexandra Garmhausen ist per Zufall bei den Jungbläsern gelandet – nach einem Schnuppertag. „Ich fand den Posaunenchor schon immer ganz, ganz toll. Im Weihnachtsgottesdienst mit Posaunen – das war schon immer eine ganz besondere Stimmung. Ich bin ziemlich unmusikalisch aufgewachsen und habe durch meine Familie gar nicht viel Zeit zum Üben, aber ich muss sagen, wenn wir zusammen hier gespielt haben, wenn alles irgendwie zusammenpasst, das ist schon ein ganz besonderes Gefühl“, sagt die 40-jährige Frau mit den kurzen blonden Haaren. Und das liegt sicher auch an dem diakonischen Gedanken, der sich in der Jungbläsergruppe von Michiko Sugizaki durchgesetzt hat. „Es bekommt hier niemand gesagt: `Du kannst es nicht!´ So ein Satz käme für uns gar nicht in Frage“, sagt Sandra Senftleben, die als Trompeterin schon lange Mitglied des Posaunenchores ist.

Und da kommt die Jahreslosung ins Spiel, der Friede, den die Musik schafft. „Hier finde ich den Frieden, weil ich mich mit meinem eigenen Unvermögen arrangieren muss“, sagt die 40-jährige Alexandra Garmhausen und lacht. Aber auch die Gemeinschaft spielt eine große Rolle. Außerdem zeige die Kirchengemeinde bei öffentlichen Anlässen mit dem Posaunenchor auch eine große Präsenz. Auch bei Goldenen Hochzeiten oder runden Geburtstagen treten die Musikerinnen und Musiker auf – im Schnitt etwas zwei Mal pro Monat. Dabei ist die Gruppe gut vernetzt: als einmal Sonntagmorgens um 8 Uhr die Nachricht aufs Handy kommt, dass der Kantor plötzlich ausgefallen ist, stemmen vier der Mitglieder des Posaunenchors kurzerhand den Gottesdienst.

Hendrik Lötter lobt dabei besonders die Leitung der Gruppe – „unter professioneller Anleitung macht es einfach mehr Spaß“, sagt der 50-Jährige und meint damit Michiko Sugizaki. Die 45-Jährige ist gebürtige Japanerin. Sie hat Musik mit Hauptfach Trompete und Instrumentalpädagogik studiert und leitet in den Kirchenkreisen Melle-Georgsmarienhütte und Osnabrück insgesamt  zwei Posaunenchöre und sechs Jungbläsergruppen. „Dieser Chor hier ist besonders familiär. Hierher kommen Mütter gemeinsam mit ihren Söhnen oder Töchtern oder sogar der Opa, die Mutter und das Kind. Ich komme aus Japan und habe hier keine Familie – deshalb ist mein Posaunenchor hier auch für mich ein Stück Familie“, sagt die 45-Jährige. Und lachend fügt sie hinzu: „Außerdem ist es ja auch ein großes Kompliment, wenn wir in der Superintendentur üben, über der sich ein Altenheim befindet, und die Senioren nach Ende der Probe herunter rufen: `Weitermachen!!´“

Diese Begeisterung kennt auch Ursula-Maria Busch. Sie leitet ebenfalls Anfängergruppen, einen Jugendposaunenchor und einen Posaunenchor  im Kirchenkreis Melle-Osnabrück. „Wenn man Konzerte vorbereitet, ist es so schön zu sehen, welche tollen Momente wir währenddessen entwickeln, wie intensiv die Bläser die Konzerte erleben und noch lange im Nachhinein genießen, dass wir die Auftritte leben und nicht nur abliefern.“

Musik verbindet – und schafft damit Frieden. Das hat Ursula-Maria Busch auch schon bei gemeinsamen Proben mit einheimischen Posaunenchören in Namibia erlebt, und bei ihrer Arbeit mit Jugendlichen, die aus syrischen Familien stammen. Sie haben als Drittklässler mit dem Posaunenspiel begonnen, in der Gruppe, die Ursula-Maria Busch aus einer Werbeaktion an der Grundschule gebildet hat, und dann sind sie geblieben. Die 54-Jährige findet es außerdem sehr schön zu sehen, wie selbstverständlich generationenübergreifend geprobt wird, wenn eine 15-Jährige einem 78-Jährigen hilft – und umgekehrt.

Jedes  Jahr starten Michiko Sugizaki und Ursula-Maria Busch in Buer und in Melle eine neue Jungbläser-Gruppe. Voraussetzungen, um darin teilzunehmen, gibt es nur wenige: Man braucht Lust zu lernen und man sollte gut atmen können, raten die beiden Frauen. Die Instrumente kann man sich anfangs von den Kirchengemeinden ausleihen. Eine konkrete Altersgrenze gibt es nicht. Und für die Jüngeren wie Fiona und Tabea ist es schon ein ganz besonderes Hobby, was auch bei Gleichaltrigen gut ankommt. „Meine Freunde auf jeden Fall finden es cool“, sagt die 14-jährige Tabea.

„Vielleicht finden wir hier, in dieser Gemeinschaft, die von der Musik zusammengehalten wird, ein Abbild einer Gesellschaft, wie wir sie uns wünschen: sie ist generationen- und kulturenübergreifend; sie tritt für andere ein und verschafft ihren Teilnehmern das gute Gefühl, dazu zu gehören und ist enorm fehlertolerant, ohne dass die Qualität vergessen wird. Mich beeindruckt das.  Ich bekomme richtig Lust, auch noch mal eine Trompete oder eine Posaune in die Hand zu nehmen“, sagt Landessuperintendentin Birgit Klostermeier am Ende ihres Besuches. „Ich wünsche Ihnen allen viele schöne gemeinsame Proben und ein gutes Weiterkommen. Ich bin sicher, dass Sie demnächst mit den adventlichen und weihnachtlichen Auftritten anderen Menschen  viel Freude machen werden.“